Seit rund 10 Jahren kennen die Zinsen nur eine Richtung. Abwärts. Wenn wir uns die Zins-Politik der EZB anschauen, dann gab es seit der Finanzkrise 2008 Zinssenkungen nur nach unten. Von 4% Leitzinsen in 2008 bis auf 0% Leitzinsen seit 2015.
Jetzt kommt allerdings eine hohe Inflation mit 5,3% hinzu. Das ist die höchste Inflation seit 40 Jahren, als wir 6,33% im Jahr 1981 hatten. Die FED hat deswegen letzten Mittwoch die Zinsen erhöht und die europäische Finanzwelt spekuliert darauf, dass die EZB nachzieht. Die nächste geldpolitische Sitzung mit Zinsentscheidung ist am 14.4.2022 und wir dürfen gespannt sein.
Aber was heißt es für die Immobilien Investoren, wenn die EZB die Zinsen erhöht? Haben wir dann eine dauerhafte Zinswende? Darum geht’s in diesem Beitrag
Inhalt
1) Steigende Zinsen – Folgen für Immobilieninvestoren?
2) Wieviel steigende Zinsen kann ich mir leisten (Alexander Raue)
3) Sinkende Nachfrage – Fallen die Immobilienpreise?
Kostenloser Download: Immobilien Standort Tool
Hier bekommst du kostenlos eine Liste der rendite-stärksten Standorte in ganz Deutschland! Diese Liste enthält die 700 größten Städte in Deutschland und du kannst sie nach Rendite und Bundesland filtern und sortieren.
Steigende Zinsen – Folgen für Immobilieninvestoren?
Die FED hat am Mittwoch die Zinsen um 0,25% erhöht und hat signalisiert, dass sie die Zinsen jetzt regelmässig in 0,25%-Schritten anhebt. Die FED hatte das 2016 schonmal gemacht und bis auf 2,5% in 2019 durchgehalten. Aber dann kam Corona und es ging sofort wieder auf 0% Zinsen runter. Jetzt folgt der zweite Anlauf.
Die EZB will die Zinsen noch nicht anheben, da sie die hohe Inflation nur vorrübergehend wegen Corona sieht. Die EZB geht davon aus, dass sich die Lieferengpässe schrittweise wieder auflösen und wir zur Normalität mit niedriger Inflation kommen.
Allerdings war diese Aussage noch vor dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, welcher die Inflation weiter nach oben schießen lässt. Die teuren Gas- und Benzinpreise steigen weiter und jetzt kommt noch ein riesiger Anstieg der Lebensmittelpreise dazu. Die Ukrainer können keine Lebensmittel herstellen und liefern, da sie ihr Land verteidigen müssen. Dadurch hat sich der Preis für Weizen vervierfacht, Mais und Sonnenblumenöl steigen ebenfalls massiv.
Die EZB ist gefangen im Spagat zwischen hoher Inflation und den negativen Folgen von raschen Zinserhöhungen. Sowohl Immobilieninvestoren als auch Unternehmen besorgen sich Kredite bei der Bank, um ihre Immobilie oder ihr Unternehmen zu finanzieren. Die Bank beschafft sich das nötige Geld bei der Zentralbank (EZB).
Im letzten Jahr konnte man sich Kredite mit 1% Zinsen bei der Bank holen und mit diesem billigen Geld kräftig investieren. Wenn man das Geld auf dem Konto ließ, bekam man dafür keine Zinsen und musste sogar Strafzinsen zahlen. Diese Verwahrentgelte gabs ab 100.000€ Guthaben, bei einigen Banken schon ab 25.000€. Kein Wunder, die Banken mussten selber Negativzinsen bezahlen.
Aber auch die stark verschuldeten Staaten brauchen niedrige Zinsen, um damit ihren Haushalt bewältigen zu können. Frankreich lebt beispielsweise seit 40 Jahren auf Pump. Seit 1980 Hat Frankreich jedes Jahr mehr Ausgaben als Einnahmen. Der Rest wird über die Aufnahme neuer Schulden finanziert. Wären die Zinsen höher, könnte sich Frankreich und viele andere Länder keine Kredite mehr leiten und würden schnell pleitegehen.
Die Angst vor solch einer Staatenpleite oder dem Abwürgen der Wirtschaft durch teure Kredite lässt der EZB kaum eine Wahl. Durch die gemeinsame Euro-Währung würde eine Pleite eines Landes eine Kettenreaktion auslösen und die gesamte EU-Wirtschaft und danach die Weltwirtschaft zusammenbrechen lassen. Wir hätten eine neue Weltwirtschaftskrise.
Wenn die Zinsen steigen, dann würden die Kredite teurer werden. Dann könnten sich viele Unternehmen, Immobilieninvestoren und Staaten keine Kredite mehr leisten.
Das würde natürlich Kreditnehmern stark zusetzen, die immer auf neue Kredite angewiesen sind. Staaten müssten massiv ihre Ausgaben senken, Unternehmer auf Investitionen verzichten und Immobilieninvestoren im Notfall sogar ihre Immobilie verkaufen
Wenn die EZB die Leitzinsen erhöht, dann wird das Geld für die normalen Banken teurer und sie reichen diesen Zinsaufschlag an ihre Kunden weiter. Die Hypothekenzinsen beziehungsweise Bauzinsen werden höher.
Anfang 2022 sind die Hypothekenzinsen aber auch ohne eine Leitzinserhöhung gestiegen. Das liegt daran, dass die Banken bereits mit einer Leitzinserhöhung gerechnet und sie in die Hypothekenzinsen eingepreist haben. Außerdem orientieren sich die Hypothekenzinsen an der 10-jährigen Bundesanleihe und die ist auf Grund der hohen Coronaschulden wieder gestiegen.
Auf interhyp.de kann man sehr gut den Anstieg der Bauzinsen seit Januar 2022 sehen.
Für die Auswirkungen der steigenden Zinsen muss man bei Immobilieninvestoren zwischen zwei Szenarien unterscheiden. Auf der einen Seite der Kredit für eine neue Immobilie und auf der anderen Seite ein Anschlusskredit für eine bereits vorhandene Immobilie.
Für die neuen Immobilien heisst es, dass die Nachfrage sinken wird. Wenn man für ein Eigenheim plötzlich mehr Zinsen zahlen muss, dann steigt die Kreditrate und man kann sich weniger Quadratmeter leisten, als noch vorher. Man müsste bei gleichem Budget ein kleineres Eigenheim kaufen oder massiv das Budget erhöhen.
Für Kapitalanleger heisst es ebenfalls, dass die Kreditrate steigt und damit die Nettorendite sinkt. Eventuell sind die zusätzlichen Kreditkosten so hoch, dass der Cashflow ins Negative geht und die Immobilie sich nicht mehr rechnet. Dadurch wird ebenfalls die Nachfrage sinken.
Selbst Fix&Flip Investoren mit viel oder kompletten Eigenkapital sind davon betroffen. Eventuell nicht direkt von der höheren Kreditrate – da sie viel Eigenkapital einsetzen -, aber von der sinkenden Nachfrage. Was bringt dir das schönste renovierte Eigenheim, wenn sich auf Grund der hohen Kreditraten kein Eigennutzer mehr den kalkulierten Verkaufspreis leisten kann.
Für das zweite Szenario der Anschlussfinanzierungen kommt es darauf an, wieviel das aktuelle Darlehen bereits getilgt wurde und wie hoch die Zinsen beim damaligen Abschuss waren. Wenn du beispielsweise 2007 eine Immobilie gekauft und mit 6% Zinsen und 15 Jahren Zinsbindung finanziert hast, dann hast du bei der Anschlussfinanzierung Anfang 2022 kein Problem. Dann sind die Zinsen zwar von 1% auf 2% angestiegen, aber das ist immer noch weniger als die damaligen 6% Zinsen.
Das dürfte aktuell für die meisten Anschlussfinanzierungen gelten. Außerdem hast du seit damals getilgt und damit werden die jetzt steigenden Zinsen auf einen niedrigere Restdarlehensbetrag angewandt. Zusätzlich sind seitdem die Mieten gestiegen. In der Regel solltest du sogar eine geringere Kreditrate haben.
Kostenloser Mini Video Kurs
Na klar: Du willst mit Immobilien Geld verdienen und ein Vermögen aufbauen. Aber wie genau investiert man in Immobilien? In diesem Kurs lernst du, wie du mit Immobilien loslegen kannst.
Wieviel steigende Zinsen kann ich mir leisten (Alexander Raue)
Mit meinem eigenen Immobilienportfolio habe ich 26 Immobilienkredite bei 7 verschiedenen Banken. Die Ursprungskredite lagen bei 3.129.417€ mit durchschnittlich 1,53% Zinsen und 2,34% Tilgung. Die Summe meiner Kreditraten liegt bei monatlich 10.305€.
Die Restschuld beim Ende der Zinsbindung liegt insgesamt bei 2.132.199€. Wenn ich die Tilgung bei 2,34% lasse, würde ich 4.158€ für die Tilgung zahlen. Also könnte ich noch 6.147€ für Zinsen bezahlen, sodass meine Kreditrate gleichbleibt. Das wären 3,4%. Die Zinsen könnte sich also verdoppeln, ohne dass ich einen Unterschied spüre.
Würden die Zinsen höher steigen, dann würde ich weniger Cashflow haben. Aktuell liegt mein Cashflow nach Kosten, Annuität und Instandhaltungsrücklage bei 5.723 €. Das wären nochmal 3,2% höhere Zinsen, die ich notfalls bezahlen könnte. In Summe könnten die Zinsen auf 6,6% steigen, bevor meine Immobilien Minus machen.
Wenn die Zinsen auf 6,6% steigen, würden vorher aber etliche Staaten und Unternehmen pleitegehen. Das würde eine Weltwirtschaftskrise auslösen und dann haben wir alle andere Probleme als unsere Immobilienportfolios.
Link: Vermieter-Tools – Vorlagen, Musteranschreiben & Kalkulationen für Vermieter
Sinkende Nachfrage – Fallen die Immobilienpreise?
Wenn die Nachfrage für Immobilien auf Grund der steigenden Zinsen zurück geht, dann würden automatisch die Preise sinken. Das ist einfache Marktwirtschaft. Wer jetzt aber auf das sinkende Immobilienpreise und Schnäppchen hofft, den muss ich leider enttäuschen.
Die Zinsen sind nur ein Punkt, der die Immobilienpreise beeinflusst. Ein weiterer Punkt sind die Baukosten und die kommende Flüchtlingskrise.
Die Baukosten sind seit Corona extrem gestiegen und werden noch eine ganze Weile brauchen, bis sie sich wieder erholen. Auf Grund des Krieges steigen die Rohstoffpreise noch weiter, was auch die Baubranche betrifft.
Durch die höheren Baupreise werden Neubauprojekte und Sanierungen teurer. Dadurch steigen die Verkaufspreise und damit die Immobilienpreise. Ausserdem werden wegen der hohen Baupreise viel weniger Neubauten und Sanierungen gemacht. Da sich der Bestand über die Jahre verschlechtert, wird das Angebot an guten Wohnraum zurück gehen. Wenn das Angebot zurück geht, dann steigen die Preise.
Ich sehe es an meinen beiden Mehrfamilienhäusern, die ich aktuell saniere. Vorher waren es 14 bewohnbare Wohnungen. Durch die steigenden Baupreise, die Materialknappheit und langen Lieferzeiten verzögern sich die Sanierungen. Somit dauert es länger, bis ich den Wohnraum wieder zur Verfügung stellen kann und damit ist das Angebot gesunken. Genauso geht es vielen anderen Investoren mit ihren Bauprojekten.
Dazu kommt, dass die Nachfrage an Wohnraum durch die Flüchtlingskrise extrem steigen wird. Einige Experten rechnen mit 5 Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine, also dem Fünffachen, was wir 2015 aus Syrien hatten. Diese steigende Nachfrage wird ebenfalls die Immobilienpreise nach oben treiben.
Du siehst, die Immobilienpreise werden nicht auf Grund der steigenden Zinsen sinken, da die Baupreise und die Flüchtlingskrise stark entgegenwirken. Sie werden ehr gleichbleiben oder moderat steigen. Demnach sind Immobilien nach wie vor ein sehr gutes Investment für den Vermögensaufbau.
Finanzr meint
Hallo Alex,
du schreibst von Staatspleiten: de-facto ist es so, dass Länder die in ihrer eigene Währung verschuldet sind, NICHT pleite gehen können. Durch das Geldschöpfungsmonopol kann immer ausreichend Geld geschaffen werden um die Schulden zu bedienen ohne dass entsprechende Steuereinnahmen dahinter stehen.
Das hat geht im Extremfall natürlich mit einer realen Abwertung der Währung einher.
Interessant wird die Phase wo die Gestehungskosten von Immobilien massiv steigen, die Mieten durch Mietendeckel aber nicht mitziehen können. Es wird also eine Umverteilung von Vermietern zu Mietern statt finden. Wohl dem, der hoch UND langfristig finanziert hat.
Spannende Zeiten!
Dirk meint
Hallo Alex,
„Demnach sind Immobilien nach wie vor ein sehr gutes Investment für den Vermögensaufbau.“
Diesen Satz kann ich nur unterstreichen.
Gruß Dirk
vermietertagebuch meint
Ja, das sehe ich zu 100% genauso
Immoarne meint
Danke für den tollen Artikel, den du mir heute (13.7.2023) empfohlen hast.
So wie es jetzt aussieht, steigen die Zinsen doch schon etwas bis in deine Schmerzgrenze hinein.
Gibt es dazu noch ein Update oder einen neueren Artikel?
Liebe Grüße
@immoarne
vermietertagebuch meint
Nein, dazu gibt es vorerst keine Updates von mir.